PLM Wie ein PLM die Kreislaufwirtschaft abbildet

Ein Gastbeitrag von Andreas Müller

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Die Automobilindustrie verbaut zunehmend nachhaltige und wiederverwertbare Materialien. Das Ziel ist eine vollständige Kreislaufwirtschaft. Um die damit verbundene Datenfülle beherrschen zu können, setzt der Zulieferer Grammer auf Product Lifecycle Management.

Wenn Materialien wiederverwertet werden sollen, um die CO2-Bilanz zu senken, müssen Unternehmen den Lebenszyklus im Blick haben: PLM-Systeme sind gefragt.
Wenn Materialien wiederverwertet werden sollen, um die CO2-Bilanz zu senken, müssen Unternehmen den Lebenszyklus im Blick haben: PLM-Systeme sind gefragt.
(Bild: Getty Images)

Wer sich in Zukunft ein neues Auto kauft, sitzt darin vielleicht auf Ananasblättern. Bei der Ernte fallen jedes Jahr weltweit 25 Millionen Tonnen davon an und wurden bis vor kurzem vorwiegend verbrannt. Doch das Material kann genutzt werden: Die Fasern lassen sich zu einem leichten und kostengünstigen Kunstleder verarbeiten. Einige Autohersteller setzen es bereits als nachwachsenden Rohstoff ein – ebenso wie Kokosfasern, Reishülsen, Weizenstroh oder Sojaschaum.

Diese und andere Materialien helfen dabei, die Nachhaltigkeit eines Autos zu verbessern. Ihr Einsatz ist nicht neu, wird aber seit einigen Jahren immer stärker ausgebaut. Früher wurden Biowerkstoffe vorwiegend an nicht sichtbaren Stellen eingesetzt, da zahlreiche Kunden nach wie vor klassische Materialien wie Leder oder Alcantara bevorzugten. Doch inzwischen liegt sichtbare Nachhaltigkeit im Trend. Der Autozulieferer Grammer aus der Oberpfalz (Bayern) nutzt beispielsweise für Mittelkonsolen neben wiederverwerteten Kunststoffen (Rezyklate) auch Biowerkstoffe.

Rezyklate und Biowerkstoffe sind gute Beispiele für erste Ansätze einer Kreislaufwirtschaft. Darunter wird ein nachhaltiges Modell der Produktion und des Verbrauchs verstanden. Bestehende Materialien und Produkte sollen so lange wie möglich geteilt, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet oder recycelt werden. Auf diese Weise verlängert sich der Lebenszyklus der Produkte, und der CO2-Eintrag sinkt.

Kunden drängen auf mehr Nachhaltigkeit

Für Grammer, ein in 20 Ländern mit mehr als 50 Produktions-, Vertriebs- und Logistikstandorten vertretener Zulieferer, ist Nachhaltigkeit fester Bestandteil der Unternehmensstrategie. „Wir haben zwei große Ziele: Den CO2-Fußabdruck bis 2030 halbieren und immer nachhaltigere Produkte herstellen,“ betont Marcellus Menges, Director PLM Global bei Grammer. Für das zweite Ziel muss das Unternehmen seine Produkte stärker an die Kreislaufwirtschaft heranführen.

Grammer verfolgt seine ambitionierte Nachhaltigkeitsziele auch auf Drängen der Kunden. Denn die Autoindustrie steht unter Druck, wie das Beispiel VW zeigt: Der Konzern muss bis 2025 den CO2-Fußabdruck pro Fahrzeug über den gesamten Lebenszyklus hinweg um 30 Prozent gegenüber 2015 reduzieren. Zulieferer wie Grammer dürfen deshalb bei der Produktion verschiedener Komponenten einen bestimmten CO2-Wert nicht überschreiten.

Dafür muss die Grammer-Entwicklungsabteilung alle Produkte auf den Prüfstand stellen und bis hin zu jeder Kleinigkeit die Auswirkungen auf die CO2-Bilanz in den Blick nehmen. Das beginnt bei den Rohstoffen, ihrer Verarbeitung und dem Strombedarf bis hin zu kurzen logistischen Wegen. So müssen ganz unterschiedliche Werkstoffe geprüft werden, wie sie zu diesem Ziel beitragen können.

Mit Tracking den gesamten Produktlebenszyklus im Blick

Die strengen Vorgaben von VW müssen umgesetzt werden, anderenfalls wird man durch einen anderen Zulieferer ersetzt. Zum Glück für Grammer gibt es im Moment noch eine Einschränkung, die dem Unternehmen Zeit zur Vorbereitung lässt: VW berücksichtigt nicht die gesamte Lebenszeit des Produkts. Aufbereitung, Recycling und Entsorgung müssen in die geforderten Zahlen noch nicht einfließen.

„Wir erwarten, dass dieses Thema bald auf den Tisch kommt“, sagt Grammer-Manager Menges. „Dann werden die ‚zirkulären‘ Anteile an unseren Produkten deutlich größer.“ Das Unternehmen bereitet sich rechtzeitig auf diese Situation vor, indem es seine Datenerfassung schon heute verbessert. Denn Daten aus dem gesamten Lebenszyklus eines Produktes bilden die Basis der Kreislaufwirtschaft.

Das Stichwort hierfür lautet „Cradle to Cradle“ (von Wiege zu Wiege). Dahinter verbirgt sich die Gestaltung und Steuerung des vollständigen Produktlebenszyklus. Er beginnt beim Abbau von Rohstoffen, geht über möglichst umfassende „Re-Use“-Schleifen und das Weiterverwerten von Abfällen bis hin zur endgültigen Lagerung nicht mehr verwertbarer Reste.

Eine solche nachhaltige Kreislaufwirtschaft entsteht nur dann, wenn alle Akteure untereinander vernetzt sind. Sie müssen an jedem Abschnitt Informationen austauschen und zusammenführen. Dieser „digitale Faden“ (Digital Thread) entsteht unter anderem durch das Tracking von Veränderungen in der Produktkonfiguration während der Nutzungsdauer sowie durch die Verknüpfung mit Betriebs- und Leistungsdaten, die mit IoT-Technologien gewonnen werden.

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Produktdesign bestimmt 80 Prozent des CO2-Fußabdrucks

Verarbeitet wird diese Datenfülle von Softwaresystemen für das Product Lifecycle Management (PLM). Grammer hat sich für die PLM-Lösung von Aras entschieden, weil deren Flexibilität und Konfigurierbarkeit die Datensammlung passgenau nach vorne und nach hinten verlängert werden kann.

PLM-Lösungen besitzen bereits von Hause aus Möglichkeiten zur Aufzeichnung beispielsweise von Stücklisten aus der Herstellung und ihrer Verwaltung über mehrere Produktgenerationen hinweg. Bisher sind viele Systeme aber stark auf die Gestaltungsphase und die Herstellung eines Produktes ausgerichtet.

Moderne Systeme beschleunigen nun auch den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft. Unternehmen können mit ihnen herausfinden, welche Materialien und Teile an jedem Punkt des Produktlebenszyklus beteiligt sind und wie sie sich auf die Nachhaltigkeit eines einzelnen Produkts sowie des gesamten Produktportfolios auswirken. So werden beispielsweise in der Design-Phase gut 80 Prozent der CO2-bestimmenden Faktoren definiert.

Das Ziel von Closed-Loop-Ansätzen wie bei der Grammer AG ist der Aufbau einer kompletten Datenkette von der Planung bis zum Schluss. Ein digitaler Zwilling gibt dabei permanent Rückschlüsse sowohl für die Verbesserung des Produkts und die Verfeinerung der Produktionsalgorithmen als auch hinsichtlich Wartung, Reparatur und Wiederverwendbarkeit. Kreislaufwirtschaft wird damit vom Buzz-Word zur digitalen Nachhaltigkeits-Strategie.

* Andreas Müller ist Senior Vice President bei Aras

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